Whisky aus vergangenen Zeiten (Teil 2)
Alte Abfüllungen faszinieren mich, einigen trauere ich sogar nach. Einen Whisky im Glas zu haben, der lange vor meiner Geburt gebrannt oder sogar abgefüllt wurde, ist was besonderes. Oder auch Whisky aus längst abgerissenen Brennereien. Im ersten Teil ging es um die alte abgerissene Caol Ila Distillery, um Banff, Dallas Dhu und Port Ellen. Aber auch für den zweiten Teil habe ich ein paar spannende Abfüllungen zusammenstellen können. Und los geht es.
Coleburn von 1983
Coleburn in Lognmorn gehört zu den Speyside-Brennereien die in den 1980er Jahren stillgelegt wurden und ist vielen Whiskfreunden überhaupt kein Begriff. Bereits zur Gründung 1897 war die Brennerei als Lieferant für Blends vorgesehen, bis zur Schließung blieb das auch so, zuletzt ging die Produktion fast komplett in die Johnnie Walker Blends. Heute gehören die Namensrechte und ein Teil der Lagerhäuser dem unabhängigen Abfüller MurrayMcDavid.
Coleburn 1983 - 2000, 16 Jahre, 57,3% alc. Abfüller: Signatory Vintage (Silent Stills) Ausbau: Fass Nr. 798
Nase: Eine Mischung aus frischem Obst und Holzleim, der Coleburn braucht ein wenig Zeit an der Luft. Dann finde ich Birnenkompott, Kiwi, Ananas und Vanillesauce, zudem eine leicht ausgetrocknete Sommerwiese. Im Hintergrund kommen zwei Komponenten auf, einerseits angeflammtes Eichenholz, alte Zeitungen und Bibliothek, andererseits Gemüse wie Fenchel und grüne Paprika. Hat man sich an die Aromen gewöhnt wird der Coleburn auf einmal wieder deutlich süßer, eine starke Portion Honig macht sich breit.
Gaumen: Sehr süß und auch sehr speziell. Honig, Zuckerrüben, Stachelbeeren, frische Sommeräpfel und knackige Birnen, etwas Grapefruit, viel Eichenholz und eine kräftige Gewürzmischung mit Muskat, Ingwer und Pfeffer. Außerdem finde ich hier auch wieder Fenchel, zudem alte Pfefferminztee und Kinderlakritz.
Abgang: Eher lang und orientiert sich an den bisherigen Aromen. Die Gewürze ziehen sich in die Länge, der Pfeffer wird schärfer und verweilt wärmend.
Fazit: Komplex und spannend, aber alles andere als massentauglich. Die Mischung aus starker Süße und ordentlicher Würze ist nicht wirklich ausgeglichen, dafür aber ziemlich unterhaltsam. 84/100 Punkte (2022).
Glen Mhor aus den 1980er Jahren
Die Brennerei Glen Mhor in Inverness ist seit den 1980er Jahren geschlossen und wurde später abgerissen. Mehr zur Brennerei findest du hier: Glen Mhor
Glen Mhor 8 Jahre, 40% alc. Abfüller: Gordon & MacPhail (Distillery Label, 1980s). Ausbau: Keine Angabe
Nase: Dickes Karamell neben roten Äpfeln, Zuckerguss, altem Tabak und etwas feuchter Pappe. Dahinter finde ich dann vor allem Orangenkonzentrat und verschiedene Röstaromen, hier wurde ein wenig Toast zu stark angebrannt, auch grüner Tee ist mit dabei. Nach ein paar Minuten kommt eine ferne Mischung aus Rauch und Altreifen auf, dazu zarte Anklänge von Milchkaffee.
Gaumen: Überraschend cremig, kenne ich von Glen Mhor gar nicht. Auch hier wieder sehr viel Milchkaffee und dazu Orangenlikör, ein paar Walnüsse und Tabak, etwas Wachs und die leicht chemische Süße, wie ich sie oft bei Glen Mhor finde. Etwas Kunststoff und Leder, zum Ende hin ziemlich kräftige und leicht bittere Eiche mit zarten Pfeffernoten.
Abgang: Mittellang, macht weiter wie auf dem Gaumen und stellt die leicht künstliche Süße in den Vordergrund. Dazu Mandarinen, Eichenholz, etwas Druckerschwärze und feuchtes Zeitungspapier. Zum Abschied gibt es dünnen Filterkaffee und eine ganz milde Spur Zimt.
Fazit: Ein polarisierender aber richtig genialer Whisky. So einige Aromen würde man heute wohl als Fehlnoten verstehen, ich liebe sie einfach. 86/100 Punkte (2022).
Glen Mhor 1982 - 2011, 29 Jahre, 51,0% alc. Abfüller: Signatory Vintage. Ausbau: Bourbon Hogshead 1604
Nase: Sehr viel Ahornsirup neben mürben Äpfeln, säuerlichen Stachelbeeren, Plastik und feuchter Holzkohle. Dazu Honigmelone mit Räucherschinken, es folgen Bienenwachs, Mirabellen und grüner Tee, zudem entfernt Lorbeerblätter. Auch ein wenig durchnässte Pappe kann ich finden.
Gaumen: Kräftig und süß. Kandiszucker, Kräuterbonbons und getrocknete Apfelringe, Salmiak und Lakritze, etwas Anis und Meersalz, Tafelkreide. Dazu recht kräftiger Schwarztee sowie frische Aprikosen, und ein künstliches Erdbeeraroma. Zum Abschluss angebrannter und bitter wirkender Pfeffer.
Abgang: Sehr lang mit einer milden Trockenheit und angenehmer Würze. Aromatisch verlängert der Abgang den Eindruck des Gaumens, die Bitterkeit nimmt wieder etwas ab, dafür kommen viel prickelnde Eiche mit Zimt und Salmiak, etwas Kiefernharz, altes Zeitungspapier und dunkles Karamell. Ein pappig süßes Mundgefühl bleibt zurück.
Fazit: Wieder so ein komplexes Schwergewicht mit spannenden Aromen, die wohl eher eine kleine Fangemeinde ansprechen - ein klassischer Glen Mhor eben. 86/100 Punkte (2022)
Glenesk von 1982
Die Brennerei Glenesk war auch unter dem Namen "Hillside" bekannt, sie wurde 1985 abgerissen. Der Großteil der Produktion ging in die Vat69 Blends und nur ganz wenige Abfüllungen erschienen als Single Malt. Mehr zur Brennerei: Glenesk
Glenesk 1982 - 1995, 40% alc. Abfüller: Gordon & MacPhail (CC, Old Map Label). Ausbau: Keine Angabe
Nase: Eine Mischung aus milden Orangen, leichter Schokolade mit Rosinen und mineralischen Aromen, darunter nasser Kies und Kreide, ich muss aber auch an Eierschalen denken. Dazu kommen grüner Tee, Zitronengras und ein wenig Thymian, zudem altes Leder, etwas Heu und Jutesack, eine Spur Pfeffer. Ein schöner erster Eindruck.
Gaumen: Trotz der Trinkstärke relativ scharf und aggressiv. Die Orangen finde ich nicht mehr, aber eine leichte Säure hat dieser Glenesk noch. Dazu sehr viel Kreide und Kalkstein, unreife Weintrauben mit bitteren Kernen, leicht angebrannter Thymian, grüner Pfeffer, Muskat und erstaunlich viel Eichenholz. Langsam kommt die Schokolade wieder, welche wohl ein paar Chili-Flocken beinhaltet.
Abgang: Mittellang bis lang, altes Eichenholz, Kakaopulver, Pfeffer und am Ende verbleibt eine leichte Zimtschärfe.
Fazit: Früher galt so ein Whisky nicht als massentauglich, heute würde man ihn streng limitieren und auf die besonders lokale Gerste verweisen, dann gäben ein paar ***** plötzlich vierstellige Beträge für solch einen spannenden Whisky aus. Guter Glenesk, schöner Stil, gerne hätte er ein paar Umdrehungen mehr haben dürfen. Rest in Peace Glenesk. 83/100 Punkte (2022)
Millburn von 1969
Auch Millburn gehört zu den geschlossenen Brennereien, hier ist das Schmuckstück in den 1970er Jahren zu sehen. Beide Bilder entstammen dem Diageo-Archiv.
Millburn 1969 - 2005, 35 Jahre, 51,2% alc. Originalabfüllung (Rare Malts Selection). Ausbau: Keine Angabe
Nase: Vielschichtig, ich weiß gar nicht wo ich anfangen soll. Eine Mischung aus Bananenmark, Pfirsich, Aprikosenmarmelade, alten Büchern und Schiffstau kommt mir entgegen, dazu der Holzgeruch manch eines Möbelhauses. Dahinter finde ich eher kräuterartige Noten, Kampfer und Latschenkiefern, etwas Tannengrün und Waldboden, ein Hauch Eukalyptus. Außerdem ein zarter Hauch Torf sowie Schmiedefeuer,
Gaumen: Bienenwachs und Tabak treffen auf Schwarztee. Dazu eine gesalzene Nussmischung, kräftige Eiche, Sandelholz, Pfeffer und verschiedenste Kräuteraromen mit Thymian, Eukalyptus und Kresse. Auch hier finde ich eine leichte Fruchtigkeit, die man aber schon ein wenig suchen muss. Mirabellen sowie unreife und noch ziemlich knackige Aprikosen.
Abgang: Sehr lang und würzig, leicht trocken. Gesalzene Erdnüsse, Eiche, Pfeffer und Ingwer, etwas Lösungsmittel.
Fazit: Ein Whisky nahezu an der Perfektion, zumindest für Liebhaber hochkomplexer Aromenprofile. Ein wunderbares Erlebnis, welche sich gerne noch häufig wiederholen darf. Auch hier ist es sehr schade um die Brennerei. 93/100 Punkte (2022)
Caperdonich 18 Jahre, Peated Small Batch Release, 48% alc. Originalabfüllung (Batch 005). Ausbau: American Oak Barrels
Nase: Torfrauch und Lagerfeuer, klar und deutlich, gleichzeitig aber auch cremig und sanft wirkend. Daneben einige Fruchtaromen, Äpfel, Aprikosen, Birnen und Stachelbeeren, dazu eine recht ordentliche Portion Milchschokolade. Der Rauch ist trocken und erinnert an ein Lagerfeuer, zwischendurch kommt mal ganz kurz die Idee eines Holzkohlengrills auf.
Gaumen: Torf und Apfelmus, einiges an Geräuchertem. Dazu gebrannte Mandeln, gehackte Walnüsse sowie Pfeffer und Ingwer. Auch die Stachelbeeren kommen wieder durch, dazu rote Johannisbeeren und ein Spritzer Limettensaft, frische Orangen. Irgendwie erinnert der Caperdonich an die ein oder andere Islay-Brennerei, auch wenn ihm nichts maritimes anhaftet.
Abgang: Lang, hier übernimmt nun der Torfrauch komplett die Führung. Asche, Glut, Holzkohle, etwas Salz und Pfeffer.
Fazit: Ungetorfte Caperdonich finde ich ja schon oft sehr toll und auch die rauchigen Varianten können richtig großes Kino sein. Eine überzeugende Komposition. 87/100 Punkte (2022)
Caperdonich 2000 - 2020, 20 Jahre, 53,8% alc. Signatory Vintage für Kirsch Import. Ausbau: Hogshead Nr. 29494
Nase: Es riecht erst einmal wie in einer Bonbon-Manufaktur, zuckersüß und fruchtig. Gekochte Erdbeeren, Honigmelone, Zitronensirup, Süßkirsche und Zuckeraprikosen. Das klingt überfrachtet, ist aber gut miteinander verwoben. Der Caperdonich beruhigt sich und es kommen leichte Mandel- und Honigaromen auf, dazu ein Hauch von Mango und Dosenmandarinen.
Gaumen: Fruchtig, malzig, intensiv. Die Fruchtaromen der Gaumens finden sich wieder, ergänzt von Bananen und Kokosmilch. Dazu finde ich Walnüsse, Mandeln und Karamell, einiges an Eiche und Zedernholz. Abgerundet wird der Geschmack durch verschiedene Gewürze, darunter Ingwer und Pfeffer.
Abgang: Lang, führt die bisherigen Eindrücke fort. Fruchtig, würzig und viel Eiche, die überhaupt nicht bitter wirkt.
Fazit: 20 Jahre Reifung in einem ehrlichen Bourbon-Hogshead, welches wunderbar fruchtig/süße Aromen entwickelte und zeitgleich viel Eichenholz mit sich bringt. Richtig gute Abfüllung. 88/100 Punkte (2022).